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Sonntag, 10. November 2013

Rundbrief

Sooooo, hier kommt mein erster Rundbrief, den theoretisch nur meine Förderer, also die netten Menschen, die mich während meiner Zeit hier finanziell über meine Organisation unterstützen, bekommen. Da ich aber schon ewig nicht mehr dazu gekommen bin, einen Blog zu schreiben, habe ich gedacht, ich geb euch mal ordentlich was zum Lesen! Ein paar mehr Bildchen, als im Text erwähnt, gibt es auch noch gratis oben drauf. Ihr könnt euch einfach überlegen, welches Bild zu welchem Thema passen könnte :-P. Ende Oktober 2013 Vanakam aus Indien! So, jetzt seid ihr schon gut informiert, wie man sich hier begrüßt! (Für Spezialisten: “Kalee Vanakam” = Guten Morgen, “Malee Vanakam”= Guten Abend; wer das drauf hat, wird die Inder hier zum Strahlen bringen!) “Hier” ist ganz im Süden Indiens, sogar relativ nah am Meer, im Bundesland Tamil Nadu, und die Kleinstadt, in der ich lebe, heißt Mayiladuthurai. Bevor ich jetzt aber loslege, von meinem neuen Leben zu berichten, möchte ich euch noch erzählen, wie es für mich war, mein eigentliches Leben für sechs Monate hinter mir zu lassen und einen Weg zu gehen, der mehr Mut erforderte, als mir anfangs bewusst war. Der Tag der Abreise kam immer näher und näher und dann ging es mir plötzlich alles viel zu schnell. Rucksack vollstopfen, Abschied nehmen und los nach Frankfurt. Aber ich wollte nicht mehr weg. Ich wollte einfach nur zu Hause bleiben. Ich wollte nicht Tschüss sagen müssen, nicht mit dem Gedanken gehen, dass ich nicht wieder in meine geliebte Alte Dorfstraße 8 zurückkehren kann. Trotzdem habe ich ihn gewagt- den Sprung ins heiße abenteuerliche Indien (ins kalte Wasser passt irgendwie nicht). Sehr übermüdet und von der Situation überfordert in Chennai, einer Großstadt, die etwas nördlicher liegt, gelandet, verbrachten wir dort die ersten fünf Tage , um unseren Mentor und einen Teil des indischen Lebens kennenzulernen. Zu der Zeit ging es mir nicht so gut, die Moskitos machten mich ganz verrückt, das Essen schmeckte mir so überhaupt nicht und es stank (Müllabfuhren sind eine geniale Erfindung, die hier aber leider noch nicht wirklich angekommen ist), war heiß und viel zu laut (Hupen, anstatt Verkehrsregeln beachten). Hätte ich gewusst, wie wohl ich mich zum jetzigen Zeitpunkt fühlen würde, hätte es mir vieles erleichtert. Aber so ist das in Indien, man weiß nie, was kommt, was der Tag so bringt. Also, womit verbringe ich meine Zeit am anderen Ende der Weltgeschichte? Dieses Frage möchte ich euch gerne mit der Hoffnung beantworten, dass ihr euch das eigentlich undurchschaubare Indien ein bisschen besser vorstellen könnt. Wir, also meine Mitfreiwillige Lea und ich, wohnen hier wirklich auf einem wunderschönen Fleckchen Erde, dem Compound der Tamil Evangelical Lutheran Church (T.E.L.C.), der Palmen, vielen Gebäude und über 200 sechs- bis 19-jährigen Mädchen Platz bietet. Beim Schlendern über das Gelände kommen immer ganz viele auf mich zugelaufen, die mich alle Akka nennen (=Große Schwester) und fragen mich, ob ich ihren Namen weiß, ob ich ein Lied mit ihnen singen kann oder um einfach eine Runde zu schnacken. Leider merke ich in solchen Situationen, wie schwierig Kommunikation ohne eine gemeinsame Sprache ist, aber Lachen hilft immer! Achja, der neuste männliche Bewohner: ein Truthan, der mit seinen beiden Frauen rumstolziert. Unser Zimmer ist sehr gemütlich und geräumig, sodass noch genug Platz für Ameisen und sonstige Tierchen bleibt. Es befindet sich im Haupthaus, in dem die Büros der Mitarbeiter und der Managerin zu finden sind, zwei Gästezimmer; ein Raum zum Gäste empfangen und das Esszimmer, in dem auch wir essen. Über eine kleine Außentreppe gelangt man dann auf die Dachterrasse, von der man in das Zimmer des Manager-Ehepaars und in unser Zimmer gelangt. Gegenüber von diesem Haus ist das größte aller Gebäude hier (siehe Foto), in dem sich Schlaf-, Wohn- und Essensräume für die älteren Mädchen und Mitarbeiterinnen befinden, als auch zahlreiche Räume, wie z.B. mein „Klassenzimmer“ für den Englisch- und Flötenunterricht. Über das Gelände verteilt stehen weitere Wohnhäuser der jüngeren Mädchen, Wohnhäuser von Mitarbeitern mit ihren Familien, eine Grundschule, ein Kindergarten und, wenn man direkt von der Hauptstraße aus auf den Compound geht, steht dort auch die Kirche. Es gibt einen Spielplatz, grundsätzlich sehr viel Platz zum Spielen und auf dem Dach des größten Gebäudes ist sogar eine Solaranlage installiert worden, die von Unterstützern aus Deutschland finanziert wurde. Von Zeit zu Zeit treffe ich eine Kuh, die immer mal so hinläuft, wo sie möchte, bis sie vom Hausmeister angebunden wird, um dann aber trotzdem wieder loszutapern. Umsorgt und verwöhnt werden wir zum größten Teil von zwei älteren Frauen, unseren indischen Omas sozusagen, deren Lieblingssätze „Eat well“, „Sleep well“, „Take care“ und „Take your time“/ „Take rest“ sind, wirklich total niedlich, sowie von zwei jüngeren Frauen, die unsere indischen Mamas geworden sind. Das Essen schmeckt mir hier wirklich super! Mein Lieblingessen ist „Dosa“, eine Art Pfannkuchen aus Reis. Nächstes Jahr möchte ich auf jeden Fall für euch alle Dosa zubereiten und bestimmt werdet ihr es genauso lieben, wie ich! Wie vielleicht manche von euch wissen, liebte ich es, lange zu schlafen. Das ist hier nicht mehr möglich und ich brauche es auch nicht mehr wirklich. Um 7.45Uhr stehe ich morgens auf, um dann um 8Uhr zu frühstücken (dreimal täglich essen wir warm), und um 8.30Uhr zum „Morning Prayer“ zu gehen (alle Mädchen versammeln sich zum gemeinsamen Lobpreis und Gebet). Unter der Woche geht es für mich dann theoretisch um kurz vor 9Uhr mit meiner indischen Mama zum Busbahnhof, um von da aus ca. 40min zum Kindergarten zu fahren, in dem ich zurzeit mitarbeiten darf. Wenn das der Fall ist, komme ich so gegen 17.30Uhr nach Hause, kann mich noch kurz entspannen, Material zusammensuchen und um 18Uhr startet der Englisch, bzw. Flötenunterricht, den ich für jeweils sechs Mädchen gebe. Ab 19Uhr haben wir dann Freizeit, essen um 20Uhr, gucken ein bisschen Fernsehen mit den älteren Mädchen, lesen, schreiben Tagebuch, gehen ins Internet und solche Sachen. Ich bin meistens total müde und schlafe spätestens um 22.30Uhr. Vielleicht ist euch das Wörtchen „Theoretisch“ aufgefallen, dass ich relativ am Anfang des Tagesablaufes benutzt habe. Praktisch gesehen war ich erste eine komplette Woche im Kindergarten, ansonsten immer nur tageweise, weil überraschenderweise (zumindest für uns) etwas dazwischenkam, und unterrichtet habe ich auch erst sehr wenig (hier läuft so gut, wie nichts, wie es­ ­geplant wurde). An den Wochenenden (oder an überraschend freien Tagen) haben wir schon Besuch von anderen Freiwilligen bekommen, haben andere Freiwillige in ihren Projektstellen besucht, waren für einen Kurzurlaub am Meer im traumhaften französisch-angehauchten Pondicherry, waschen Wäsche, gehen in die Stadt, in der man so gut wie alles besorgen kann (sogar leckeres Eis aus einer wunderbaren Eisdiele), oder genießen die kühle Luft, die uns unsere Ventilatoren schenken, wenn es außerhalb unseres Zimmers mal wieder auf die 40° zugeht. An das Klima habe ich mich wirklich schon sehr gewöhnt und zurzeit ist Monsunzeit, wodurch gelegentlicher Platzregen, der alles überschwemmt, Abkühlung verschafft (und die Wäsche, die eigentlich über Nacht trocknen sollte, nochmal kräftig durchspült). Wie oben angedeutet, arbeiten Lea und ich zurzeit im „Gnamalar“-Kindergarten in Kiliyanur, einem kleinen Dörfchen, das sehr von Islam und Hinduismus geprägt ist. Auf dem Kindergarten-Gelände steht neben einer kleinen Kirche auch noch das Wohnhaus der Köchin, die praktischerweise mit dem Hausmeister/Gärtner verheiratet ist und eine kleine „Schule“, in der eine Hand voll Mädchen Schneidern lernen (ihre Lehrerin ist meine indische Mama). Die Kindergartenkinder kommen alle aus hinduistischen Familien, lernen aber jeden Tag christliche Lieder (z.B. „Hallelu, Hallelu, Hallelu, Halleluja“) und Gebete („God bless Mummy, God bless Daddy and please always make them happy“). Ich liebe die Tage, die ich dort verbringen kann! Mit der Zeit trudeln die Kinder, Erzieherinnen und wir, sodass um 10.30Uhr meistens alle da sind und wir gestartet werden kann. Zuerst wird mit Bauklötzen gespielt, werden Lieder gesungen, Spielchen gespielt, gemalt, getobt oder (besonders beliebt bei den Kleinen) auf meinem Schoß herumgeturnt oder gekuschelt. Viele der Mitmach-Lieder kann ich schon begeistert mitsingen und die Kinder habe ich längst in mein Herz geschlossen. Sie sind so unglaublich süß mit ihren schokobraunen Augen! Um 11Uhr gibt’s dann heiße Milch oder Reisbrei, den die Kinder genüsslich schlürfen, während wir auch Tee trinken, ein bisschen leckeres indisches Obst verputze und mit den Mitarbeiterinnen über Deutschland, über Familie, über die indische Kultur, oder über das Leben an sich plaudern. Gerade solche Gespräche geben mir Einblicke, die ich als Tourist nie bekommen würde. Manchmal treffe ich auch Mütter von Kindern, von denen ich weiß, dass ihr pro Monat nur ca. 12Euro für die Versorgung ihrer Familie zur Verfügung stehen. Nur 12Euro, das hat mich wirklich sehr geschockt und nachdenklich gemacht. Eine andere Mutter ist schwanger und hat mir (nachdem eine Erzieherin Übersetzerin gespielt hat) gesagt, dass sie hofft, dass das nächste Kind ein Junge wird. Mädchen sind einfach nicht die „erste Wahl“, das habe ich hier leider schon viel zu oft miterlebt. Nach dem Snack macht eine der Erzieherinnen meistens eine Lerneinheit, in der die Kinder Zahlen, Buchstaben, Tiere, Fahrzeuge, Obst usw. auf Tamil und Englisch lernen. Für mich ist das sehr praktisch, weil ich ja kaum Wörter auf Tamil kann und plötzlich wieder zur Schülerin werde. Der Vormittag vergeht immer rasend schnell, bis die Kinder sich ihre Händchen waschen, nochmal aufs Klo gehen, um sich dann auf die hintere Terrasse des Gebäudes auf den Boden zu setzen und Mittag (immer Reis mit Soße, Gemüse und einmal die Woche Hühnchen) zu essen (siehe Foto). Bei der Verteilung helfe ich immer mit und achte dann darauf, dass die Kinder gut essen und nicht beim Hühner-Beobachten das Essen vergessen. In der Mittagspause, in der die Kinder auf Bastmatten für zwei Stunden „schlafen“, verbringen wir unsere Zeit immer bei den Schneider-Mädels, die in unserem Alter und offen für Fragen jeder Art sind. Wir lachen ganz viel zusammen über Sprachschwierigkeiten und lustige deutsch-indische Unterschiede (einmal haben Lea und ich ein kleines Theaterstück gemacht, in dem wir einen Heiratsantrag in Deutschland nach gespielt haben und danach haben sie uns eine indische Hochzeit vorgespielt). Um 15/15.30Uhr werden die Kinder abgeholt oder gehen alleine nach Hause (ja, 2,5-jährige gehen hier allein nach Hause!), nachdem sie wieder einen kleine Snack, z.B. gekochte Linsen oder Nüsse, bekommen haben, ihr Gesicht mit so einem Puder eingepudert wurde, das gegen Schweiß helfen soll, und ihre Haare gekämmt wurden. Für uns heißt es dann noch ein bisschen Quatschen, auch Tee trinken (habe ich schon erwähnt, wie sehr ich den Tee hier liebe?) und dann theoretisch den 16.30Uhr-Bus nach Hause nehmen. Die Busfahrten sind, dank indischer Musik, holprigen Straßen, Ziegen auf der Straße und waghalsigen Busfahrern, immer ein kleines Alltags-Abenteuer. Ab nächster Woche ist jedoch ein Kindergarten-Wechsel geplant, da es insgesamt drei gibt, in denen wir während der sechs Monate mitarbeiten können. Die bisherigen Englischstunden verliefen noch sehr durcheinander und laut, aber lustig. Nicht einfach finde ich es, auf alle Mädchen gleich einzugehen, da manche sehr schnell sind und dann genervt sind, wenn andere noch nicht so weit sind und einfach noch Zeit brauchen, um Dinge zu verstehen. Ob am Ende wirklich Englisch gesprochen werden kann, steht für mich noch in den Sternen. Aber Lust auf Spiele und Lieder haben sie allemal, wie ich auch. Unser Name ist „Butterfly-Group“, sodass auf dem Foto hoffentlich ein Schmetterling zu erkennen ist? Einmal fand auch schon Flötenunterricht statt (Gruppenname: Star-Group). Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht! Es ist eine Anfängergruppe, der ich erst einmal Noten lesen beibringen muss, für die aber allein schon eine ganz persönliche Flöte zu haben etwas ist, auf das sie sehr stolz sind. Da ich auch erst seit zwei Wochen wieder Flöte spiele, ist es ein gemeinsames Lernen und ich hoffe, dass wir zu Weihnachten etwas Schönes vorspielen können. Sonntag abends bringen wir einem kleinen Chor deutsche Lieder bei. Das Tolle an Musik ist, dass man dafür nicht unbedingt die gleiche Sprache sprechen muss. Mit der deutschen Aussprache hapert es noch ein bisschen, aber der Gedanke zählt! Am Freitag um 18.30Uhr (Dauer variiert zwischen 40 und 75min) und sonntags um 8.30Uhr (70-110min), finden Gottesdienste statt, bei denen wir nichts verstehen (komplett auf Tamil), aber sonntags unsere Sarees (die Kleidung der Inderinnen) tragen, was das Ganze wesentlich interessanter macht. Jetzt ein paar Geschichten der ganz besonderen/speziellen, indischen Art: Ich wurde von einem Affen „gebissen“, bzw. ein Affe hat nur an meinem Bein geknabbert. Trotzdem habe ich insgesamt sechs Spritzen bekommen, musste Medikamente einnehmen (typisch indisch! Es waren Schmerz- und Fiebertabletten, obwohl ich keins von beidem hatte) und täglich allen erzählen, dass es mir nie wirklich schlecht ging. Auch grundsätzlich war ich noch nicht ernsthaft krank, wofür ich sehr dankbar bin. Die Wasser- und Stromversorgung macht, was sie will: einmal gab es vier Tage lang kein fließendes Wasser, der Strom fällt zwischendurch für eine Zeit lang einfach aus. Es ist erschreckend, wie selbstverständlich Wasser- und Stromversorgung für mich waren und jetzt irgendwie nicht mehr so sind. Dadurch, dass es sehr selten Fleisch gibt, bin ich irgendwie zur Beinahe-Vegetarierin geworden. Ich liebe Gemüse, wie z.B. Blumenkohl und Bohnen. Wer hätte das vor zwei Monaten von mir gedacht?! Ich sicher nicht :-D. Wir wurden gefragt, ob wir denn aus Ost- oder Westdeutschland kommen würden. Ebenfalls sehr interessant: die Marke unseres Türschlosses ist ganz einfach „Hitler“. Für die Hinduisten ist das Hakenkreuz ein Zeichen von Macht, also sieht man es an viele Häuser gemalt. Mal schauen, was für Geschichten dieser Art in meinem zweiten Rundbrief nächstes Jahr auftauchen... Mittlerweile bin ich schon zwei Monate in meinem indischen Leben und bin wirklich innerlich angekommen, fühle mich sehr wohl und in meiner Entscheidung, nach Indien zu gehen, bestätigt. Trotzdem gibt es Tage, an denen ich alles in Deutschland wirklich sehr vermisse, ganz besonders meine wunderbare Familie und meine wunderbaren Freunde! Für mich ist es ein schönes und beruhigendes Gefühl, dass ich durch eure Unterstützung das alles hier erleben kann, Danke dafür! Auch habe ich schon sehr viel über mich selbst erfahren, merke, was ich im Leben möchte, was und wer mir wirklich wichtig sind. Eine Zeit im Ausland, wo oft alles ungewohnt und unverständlich ist, prägt auf eine Weise, die ich nur empfehlen kann. Hoffentlich friert ihr auch nicht allzu sehr im kalten Deutschland und jemand von euch Lust, mir einen Schneeanzug für meine ersten Tage nach Indien zu besorgen? Haha :-) Ganz viele liebe sonnige Grüße schickt euch eure ganz persönliche, frisch gebackene Inderin: Kathi- Trinchen- Mausen- Wutschel- Kleini
Ende Oktober´13

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